Verblendet, ganz gewiss. Wie konnte es dazu
kommen? In seiner Autobiographie schildert er, was in seinem Leben geschah: die
zunehmende Diskriminierung von Katholiken ...
in Nordirland, die sich in aktiven Menschenrechtsverletzungen
durch die Polizei und die britische Armee zeigte und im Bloody Sunday
in Derry (30. Januar 1972) einen tragischen
Höhepunkt erreichte. Von diesem Tag an schlug die Stimmung der nordirischen
Bevölkerung um ...
... in eine antibritische Haltung, die sich lange hielt und auch
lange neue Nahrung bekam. Shane war damals gerade 17 Jahre alt und hatte sich
eigentlich innerlich schon von der IRA entfernt, da er sich nicht mehr an
Bombenaktionen beteiligen wollte, bei denen Zivilisten zu Schaden kommen
konnten. Das änderte sich nun schlagartig, und er begab sich wieder an die
vorderste Front der Terroreinsätze.
Verblendet, aber doch kein Killer. Das Schicksal
verhinderte in schier unglaublicher Konsequenz (manchmal durch einen
glücklichen Zufall), dass es Tote gab. Shane O'Doherty gab immerhin der Polizei
jedesmal einen anonymen Warnanruf, mit dem er seine Bomben anzukündigte, damit
noch rechtzeitig vorher das Schlimmste verhütet werden konnte. Das Codewort
musste er mit der Polizei verabreden, um seine eigenen Warnanrufe von falschem Alarm durch Spaßanrufer zu
unterscheiden. Denn töten wollte er ganz gewiss nicht. Aber manchmal gab es
Verletzte und Verstümmelte, die einen Finger oder ein Auge verloren. Das nahm
er in Kauf, da sein eigenes Leben auch ständig auf dem Spiel stand - also
doch ein sehr gefährlicher Terrorist.
Zugleich ein scharfsinniger Denker, dem der
Widerspruch zwischen seinen Handlungen und seinen hehren Zielen keineswegs
verborgen blieb. Verwandte verwickelten ihn in unangenehme Diskussionen; einem
Priester im Beichtstuhl gelang es nicht, die Haltung der Kirche zum gewaltsamen
Widerstand in einer für O’Doherty befriedigenden Weise darzustellen, denn er
suchte im Grunde einen Anspruch auf Absolution, den der Priester ihm jedoch nicht zugestehen wollte. In den langen Jahren
seiner Haft stellte er sich seinen inneren Widersprüchen und zog schließlich
die einzig möglichen Konsequenzen: Radikale Abkehr vom Glauben an Terror als politisches Mittel, und aktive Reue.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen