Achtung: Der Nordirlandkonflikt (als "the Troubles" bekannt) ist im Internet bereits sehr gründlich dokumentiert, und ich werde den zum Teil hervorragenden Darstellungen nicht einmal annähernd Konkurrenz machen. Dies
hier ist ...
also keine detaillierte und präzise historische Darstellung, sondern nur ein
behelfsmäßiger Überblick.
Teil 1
Zu Anfang (1913) ging aus der Irish Republican Brotherhood (IRB) die Irisch-Republikanische Armee hervor, die 1916 in Dublin den Osteraufstand (Easter
Rising) gegen die britische Herrschaft organisierte. Wer sich in Dublin
das General Post Office in der O’Connell Street anschaut, findet...
...in der Fassade
immer noch Einschüsse der Artillerie und Gewehre jener sechs Tage. Die Anführer des Aufstands
verfassten und unterzeichneten die sogenannte Osterproklamation, die Irland zur unabhängigen
Republik erklärte. Noch heute kann man dieses
Dokument als Faksimile in den Touristenläden erwerben, denn die Romantik des
irischen Patriotismus lässt sich gewinnbringend vermarkten. Allerdings
war der Osteraufstand durch amateurhafte Organisation und Vorgehensweise militärisch
gesehen zum Scheitern verdammt. Dafür schuf er aber unvergessene Märtyrergestalten: Padraig Pearse, James Connolly
und viele weitere, deren Abbilder als Statuen das Bild der Hauptstadt prägen. Immerhin
brachte der fehlgeschlagene Aufstand aber das republikanische Bewusstsein in
die Köpfe der Bevölkerung, erzeugte starke nationale Solidarität, und der schwierige
Weg Irlands zur eigenständigen Republik nahm unaufhaltsam seinen Gang.
Nach den
tragischen Helden von 1916 sind Bahnhöfe, Straßen, Plätze, Institutionen und
natürlich auch zahlreiche Pubs benannt. Ihr Konterfei findet sich auf Briefmarken,
Dichter schrieben über sie, Sänger verherrlichten sie, und es gibt
immer wieder neue Bücher zum Thema. Als Beispiel möchte ich hier den Roman „Henry
der Held“ (A Star Called Henry) des Erfolgsautors Roddy Doyle nennen.
Dann gab es die
IRA des äußerst brutalen Unabhängigkeitskrieges von 1919-21. Der „Film zum Mann“
Michael Collins (gespielt von Liam Neeson) hat erfolgreich Kenntnisse dieses
Teils der irischen Geschichte ans breitere Publikum gebracht. Mit IRA-Führer Collins
erlebte Dublin auch am 21. November 1921 seinen eigenen „Bloody Sunday“. Als
Vergeltung für die 14 britischen Spione, die er erschießen ließ, feuerte die RIC-Polizei
(Royal Irish Constabulary) während eines Fußballspiels in die Menschenmenge im
Croke Park-Stadion und 14 Personen mussten ihr Leben lassen. Die IRA jener Tage
wird als Alte IRA (Old IRA) bezeichnet; auch einige Dubliner Verwandten der Familie
von Shane O’Doherty gehörten ihr an.
Der
anglo-irische Vertrag von 1921, der den Freistaat Irland begründete, brachte die Teilung Irlands mit sich, denn er ermöglichte
es den sechs nordirischen Grafschaften, weiterhin zu Großbritannien zu gehören.
Doch die irische Regierung zerbrach an den Differenzen, die das Parlament (Dáil),
die Sinn-Féin-Partei und die IRA zerspalteten. Es gab unter allen Beteiligten
Gegner und Befürworter der Teilung Irlands. Die IRA war in sich gespalten. Als Folge war ein
Bürgerkrieg, der sich durch besondere Brutalität von beiden Seiten auszeichnete, nicht mehr zu verhindern. Auch andere Städte wurden zu Kriegsschauplätzen,
und Collins wurde 1922 erschossen. Über all dem Gemetzel verlor die IRA den entscheidenden
Rückhalt in der Bevölkerung. Bis Anfang der 60er Jahre
hatte sie schließlich nur noch versprengte
Sympathisanten, während die Republik Irland ihren Alltag im Frieden erlebte. Die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland wurde mit Kontrollstationen und bewaffneter Grenzpolizei verstärkt.
Teil 2: Die Provos - Shane O'Dohertys IRA
In
Nordirland hingegen waren Katholiken gegenüber den Protestanten deutlich benachteiligt. Sie hatten
bei der Arbeits- und Wohnungssuche immer das Nachsehen, und vielen von ihnen
blieb nur die Auswanderung. Gezielt ungerecht gelegte Wahlkreisgrenzen sorgten
dafür, dass auch Wahlen an diesen Missständen nichts änderten. Deshalb wurden 1968
und 1969 die Forderungen der friedlich marschierenden Bürgerrechtler immer
lauter, die gleiche Rechte und ein Ende der Benachteiligung von Katholiken in
Nordirland forderten. Shane O’Doherty, damals 14, trat heimlich mit ein paar
Freunden in die IRA ein. Doch die RUC (protestantische Polizei) und die
paramilitärischen Loyalisten, die Nordirland als Teil Großbritanniens
verteidigen wollen, schlugen gewaltsam zu.
Es kam zu teils heftigen Unruhen, weil die überwiegend katholischen
Demonstranten sich verteidigten - wie zum Beispiel in Derry in der „Schlacht
von Bogside“, an der O’Doherty als Schuljunge sich auch beteiligte. Die Unruhen
lösten im Nachbarstaat Republik IrIand heftige Debatten in der IRA aus, die
damals eher bedeutungslos war. Im Dezember 1969 kam es darüber zur Spaltung der
IRA. Die neugegründete Provisional IRA (auch die PIRA oder die Provos genannt)
vertrat die Einstellung, man müsse Großbritannien mit Gewalt so unter Druck
setzen, dass es sich aus Irland ganz zurückzog. Angeführt wurden die Provos von
drei Männern, von denen einer Sean MacStiofain hieß. Shane O’Doherty, der noch
Schüler war, begegnete ihm, als er an einem geheimen Trainingscamp teilnahm und
beschreibt den Vorfall in „The Volunteer“.
Die
verschiedenen Standorte der IRA in Nordirland gingen unterschiedlich radikal
vor. Die Provos in Derry waren im Vergleich zu denen in Belfast eher gemäßigt,
versuchten die Bevölkerung zu schützen und Zivilisten herauszuhalten.
Protestanten wurden nicht als Gegner gesehen, sondern die britische Armee war
der Feind. Heimliche Mitglieder (Volunteers) rekrutierte die IRA aus der
Zivilbevölkerung. Nach dem Bloody Sunday 1972 ging mit der öffentlichen
Empörung eine Welle der Solidarität
durch die katholische Bürgerschaft. Sie bescherte den Provos schlagartig enormen Zulauf, nicht nur in
Derry, sondern überall in Nordirland. Shane O’Doherty hatte damals die IRA
bereits links liegen gelassen, kam nun aber zurück und beteiligte sich erneut
an Bombenanschlägen. Diese richteten zwar viel Schaden an, hatten aber wenig
politischen Erfolg. Also wurden sie auf England ausgedehnt. Shane war für eine
Briefbombenserie in London zuständig, die er im Buch genauer beschreibt, und
die die IRA und ihr Anliegen wie geplant in die Weltnachrichten katapultierte;
danach wurde er wieder in Nordirland eingesetzt.
Als erste
Verhandlungsannäherungen zwischen der IRA und der britischen Regierung
stattfanden, wurde zunächst ein beiderseitiger Waffenstillstand vereinbart, der
jedoch nicht lange hielt. Während dieses Waffenstillstands wurde O’Doherty
gefasst. Es sollte aber noch 23 Jahre dauern, bis mit Hilfe internationaler
Diplomatie (federführend der damalige US-Präsident Bill Clinton, der britische Premierminister Tony Blair und der irische Taoiseach Bertie Ahern) am 10. April 1998 mit dem Karfreitagsabkommen ein ernsthafter
Verhandlungserfolg erzielt wurde. Dieser sah unter anderem die Selbstentwaffnung
der IRA vor. Unter der Aufsicht eines internationalen Überwachungskomitees
wurde diese später auch tatsächlich vollständig durchgeführt. 2007 erklärte die
Führung der IRA, sie sei endgültig zu der Überzeugung gekommen, dass sich ihre
politischen Ziele nicht mit Waffengewalt durchsetzen ließen. In Zukunft sollte
nur noch der Verhandlungsweg beschritten werden, mit der Sinn Féin-Partei, die
den politischen Arm der IRA darstellt.
Leider war auch
das nicht das Ende der Waffengewalt, denn 2007 spaltete sich die Real IRA
(RIRA) von der Provisional IRA ab. Die RIRA sieht sich nicht an das Karfreitagsabkommen
gebunden und setzt auf Fortführung des Kampfes mit Waffengewalt. Und nicht zu
vergessen - auch auf der politischen Gegenseite agieren nach wie vor
paramilitärische Splittergruppen der Loyalisten…
Diese Informationen stammen
aus „The Volunteer“ und wurden ergänzt durch englischsprachige Quellen unter cain.ulst.ac.uk/
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