Nach dem anglo-irischen Vertrag von 1921, der die Teilung Irlands in die
unabhängige Republik Irland und das britische Nordirland besiegelte,
wurde der bis heute gültige Grenzverlauf festgelegt. Dies nahm längere Zeit in Anspruch, da verschiedene Interessengruppen ihre Ansprüche
durchsetzen wollten. Zudem hielt man sich weitgehend an die historisch
gewachsenen...
Grafschaftsgrenzen, die alles andere als geradlinig waren und
dadurch die Grenzlinie auf stolze 499 Kilometer brachten.Die Grenze trennt die
sechs britischen Grafschaften Antrim, Armagh, Down, Fermanagh, Londonderry und Tyrone
von den 26
Grafschaften der Republik Irland. Diese sechs nordirischen Counties bilden
zusammen die Provinz Ulster. Es gehörten eigentlich noch drei weitere dazu, die
allerdings in der Republik Irland liegen: Monaghan, Cavan und Donegal.
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Bild: Future Perfect at Sunrise
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Ähnlich der innerdeutschen Grenze war die innerirische
Grenze während der Jahre des Nordirlandkonflikts mit militärisch besetzten
Kontrollstationen ausgestattet.
Wer in
den 70er, 80er und 90er Jahren durch Irland reiste und die Grenze von Süden her
passierte, traf auf Soldaten mit der Maschinenpistole im Anschlag (Schluck!),
während die Zollbeamten die Papiere kontrollierten. Ich erinnere mich an eine Motorradreise 1988. Die Straße am Grenzposten war gesperrt, wurde rechtwinklig umgeleitet, dann kam
wieder ein rechtwinkliger Knick in die andere Richtung.
Das allein hätte es
schon schwierig, wenn nicht unmöglich gemacht, mit voller Fahrt durch die Sperre zu brausen, wie es ein Terrorist womöglich versucht hätte.
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Checkpoint Aughnacloy um 1985. BBC News |
Es war am
Grenzübergang Aughnacloy; von dort aus wollten wir nach Enniskillen
weiterfahren, wo es erst ein halbes Jahr zuvor ein schreckliches Bombenattentat
gegeben hatte. Vorsichtshalber nahmen wir schon beim langsamen Vorwärtsrollen
unsere Helme ab, um zu signalisieren, dass wir nicht vorhatten, unsere
Identität zu verbergen. Wir verließen uns auf das, was wir gehört hatten: als Tourist vom Kontinent sei man willkommen und hätte nichts zu
befürchten. Ja, das war offensichtlich auch so - und wir bekamen eine gute Weiterfahrt
gewünscht.
Wer als Mitteleuropäer über einen Seehafen nach Nordirland
einreiste, also beispielsweise die Rainbow Route diagonal durch England nach
Westschottland fuhr und dann die Fähre von Stranraer oder Cairnryan nach Larne
nahm, wurde ebenfalls gründlich kontrolliert. Als Autofahrer musste man sofort
den Inhalt seines Reservekanisters in den Tank schütten. Ich war auf dieser
Strecke einmal mit einer Ente unterwegs, deren Tank keineswegs leer war. Es
passte so gerade alles hinein; danach musste ich aber den Reservekanister auch noch
mit Wasser aus einem Wandhahn am Zollgebäude ausspülen!
Anders als die innerdeutsche war die innerirische Grenze
aber nie als durchgehende Mauer oder Zaun errichtet worden. Für Iren war sie
deshalb abseits von Straßen und Wegen relativ leicht unbemerkt zu passieren und
galt manchen deshalb als „a dotted line on a foreign map“ (eine gepunktete
Linie auf einer ausländischen Karte). Wer mit einem Fahrzeug unterwegs war,
hatte es schon schwerer, die militärischen Kontrollstellen zu umgehen.
An den Grenzkontrollstellen kam es oft zu tödlichen Zwischenfällen; im Fall von Aughnacloy war es der junge Aidan MacAnespie, der im Februar 1988 auf dem Weg zu einem Fußballspiel von den Grenzposten erschossen wurde. Offenbar hatte man ihn grundlos schon länger im Visier und hatte ihn und seine Familie wiederholt drangsaliert. Die britische Armee behauptete, es habe sich versehentlich ein Schuss gelöst. Diese Darstellung wurde jedoch 20 Jahre später als falsch entlarvt, und schließlich entschuldigte sich im Jahr 2009 der britische Nordirlandminister Shaun Woodward und drückte der Familie MacAnespie im Namen der Regierung sein tiefes Bedauern aus.
Die Grenze heute:
Nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 wurden die Grenzposten
nach und nach bis 2005 restlos abgebaut. Die Grenze selbst besteht natürlich
weiterhin, denn sie trennt nach wie vor britisches und irisches Staatsgebiet. Seit
1979, als Irland der Eurozone beitrat, trennt sie auch die Währungen.
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Belfast Telegraph |
Als Reisender fragt man sich, ob die Grenze Spuren
zurückgelassen hat, die man heute noch sehen kann. Es wurden erst 2012 nagelneue
Willkommensschilder, wie sie auch in Mitteleuropa üblich sind, aufgestellt („
Welcome to Northern Ireland“ in schwarzer Schrift auf weißem Grund, bzw „
Welcome to Ireland“ in weißer Schrift auf grünem Grund). Um
die Schilder „
Welcome to Northern Ireland“
entbrannte prompt ein heftiger Streit, weil sie mehrfach von republikanisch
gesinnten Nordiren gewaltsam entfernt wurden und der Steuerzahler die Kosten
für neue Schilder tragen musste. Die Regierung sah sich genötigt, klarzustellen,
dass die Schilder einen wichtigen Informationswert haben, da sie auf veränderte
Jurisdiktion und verändertes Verkehrsrecht hinweisen.
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Oliver Dixon |
Außer diesen Schildern findet man heute so gut wie gar keine
Anzeichen des Grenzübertritts – man muss schon die Einheimischen fragen. Die
Älteren können einem erklären und auch zeigen, an welcher Stelle die
Grenzposten sich befanden. Wer genau hinschaut, entdeckt einen veränderten
Straßenbelag, oder gelbe (britische) statt weiße Randmarkierungen auf der
Fahrbahn, und man sieht die anders gestalteten Straßenschilder und
Ortsschilder, die sich von denen in der Republik Irland unterscheiden. Und
natürlich die Geschwindigkeitsbegrenzungen: in der
Republik sind sie in km/h angegeben, in Nordirland dagegen in mph.
Der Grenzverkehr läuft heute vollkommen unbehindert ab,
nicht anders als im Schengen-Gebiet auch. Wer in Grenznähe wohnt, tankt dort,
wo es billiger ist, und die beliebten Einkaufsstädte (wie Derry) werden auch
von Bewohnern des jeweils anderen Landes angefahren. Die Geschäfte, vor allem
die großen, sind in ihrer Währungstoleranz (Euro oder britisches Pfund) meist darauf
eingestellt. Irland zählt aber wegen seiner offenen Grenze zu Großbritannien nicht zum Schengengebiet.
Wer als Reisender in Irland einen Mietwagen nimmt, muss für die Einreise nach Nordirland eine Zusatzversicherung abschließen, da er ja ins Ausland fährt.
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