Über das Buch

Der zweitjüngste Sohn einer kinderreichen katholischen Lehrerfamilie in Derry bekam schon früh die Diskriminierung der Katholiken zu spüren, die in den 60er Jahren zur Bildung einer starken Bürgerrechtsbewegung führte. Auch in den deutschen Nachrichten gab es damals immer wieder Berichte mit Bildern von Bürgerrechtsmarschierern, Polizeiknüppeln und Panzern. Doch nur wenigen deutschen Zuschauern gelang es, sich ein Bild der Zusammenhänge zu verschaffen. Viele glaubten, es handele sich um einen Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken und wunderten sich, wie im aufgeklärten Westen so etwas möglich sein konnte.

Hier liegt nun der authentische Bericht eines ursprünglich unbeteiligten, später aber radikalisierten Zeitzeugen und Mittäters vor, der die Hintergründe aus eigenem Erleben schildert. In den langen Jahren seiner späteren Haft rechnete O'Doherty schließlich schonungslos mit sich selbst ab und wandte sich der aktiven Reue zu. Als das Buch 1989 zuerst erschien, war es sofort ein Bestseller. Dem deutschen Buchmarkt blieb es allerdings lange verborgen. Nun kann man O'Dohertys Autobiographie endlich auch bei uns erhalten und aus erster Hand erfahren, wie ein entsetzter Jugendlicher das Blutvergießen des Bloody Sunday 1972 miterlebte und welche Folgen es für ihn hatte.


Bilder von Derry

Bilder von Derry: Stadtteil Bogside / Zwei Wandgemälde / Mahnmal in der Bogside (Fotos: Mark A. Wilson, Kryptonit, Wikimedia Commons, Alan Mc)

Mittwoch, 27. März 2013

Ein verblendeter Killer?


Verblendet, ganz gewiss. Wie konnte es dazu kommen? In seiner Autobiographie schildert er, was in seinem Leben geschah: die zunehmende Diskriminierung von Katholiken ...
in Nordirland, die sich in aktiven Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei und die britische Armee zeigte und im Bloody Sunday  in Derry (30. Januar 1972) einen tragischen Höhepunkt erreichte. Von diesem Tag an schlug die Stimmung der nordirischen Bevölkerung um ...
... in eine antibritische Haltung, die sich lange hielt und auch lange neue Nahrung bekam. Shane war damals gerade 17 Jahre alt und hatte sich eigentlich innerlich schon von der IRA entfernt, da er sich nicht mehr an Bombenaktionen beteiligen wollte, bei denen Zivilisten zu Schaden kommen konnten. Das änderte sich nun schlagartig, und er begab sich wieder an die vorderste Front der Terroreinsätze.

Verblendet, aber doch kein Killer. Das Schicksal verhinderte in schier unglaublicher Konsequenz (manchmal durch einen glücklichen Zufall), dass es Tote gab. Shane O'Doherty gab immerhin der Polizei jedesmal einen anonymen Warnanruf, mit dem er seine Bomben anzukündigte, damit noch rechtzeitig vorher das Schlimmste verhütet werden konnte. Das Codewort musste er mit der Polizei verabreden, um seine eigenen Warnanrufe von falschem Alarm durch Spaßanrufer zu unterscheiden. Denn töten wollte er ganz gewiss nicht. Aber manchmal gab es Verletzte und Verstümmelte, die einen Finger oder ein Auge verloren. Das nahm er in  Kauf, da sein eigenes Leben auch ständig auf dem Spiel stand - also doch ein sehr gefährlicher Terrorist.
Zugleich ein scharfsinniger Denker, dem der Widerspruch zwischen seinen Handlungen und seinen hehren Zielen keineswegs verborgen blieb. Verwandte verwickelten ihn in unangenehme Diskussionen; einem Priester im Beichtstuhl gelang es nicht, die Haltung der Kirche zum gewaltsamen Widerstand in einer für O’Doherty befriedigenden Weise darzustellen, denn er suchte im Grunde einen Anspruch auf Absolution, den der Priester ihm jedoch  nicht zugestehen wollte. In den langen Jahren seiner Haft stellte er sich seinen inneren Widersprüchen und zog schließlich die einzig möglichen Konsequenzen: Radikale Abkehr vom Glauben an Terror als politisches Mittel, und aktive Reue. 

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