Über das Buch

Der zweitjüngste Sohn einer kinderreichen katholischen Lehrerfamilie in Derry bekam schon früh die Diskriminierung der Katholiken zu spüren, die in den 60er Jahren zur Bildung einer starken Bürgerrechtsbewegung führte. Auch in den deutschen Nachrichten gab es damals immer wieder Berichte mit Bildern von Bürgerrechtsmarschierern, Polizeiknüppeln und Panzern. Doch nur wenigen deutschen Zuschauern gelang es, sich ein Bild der Zusammenhänge zu verschaffen. Viele glaubten, es handele sich um einen Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken und wunderten sich, wie im aufgeklärten Westen so etwas möglich sein konnte.

Hier liegt nun der authentische Bericht eines ursprünglich unbeteiligten, später aber radikalisierten Zeitzeugen und Mittäters vor, der die Hintergründe aus eigenem Erleben schildert. In den langen Jahren seiner späteren Haft rechnete O'Doherty schließlich schonungslos mit sich selbst ab und wandte sich der aktiven Reue zu. Als das Buch 1989 zuerst erschien, war es sofort ein Bestseller. Dem deutschen Buchmarkt blieb es allerdings lange verborgen. Nun kann man O'Dohertys Autobiographie endlich auch bei uns erhalten und aus erster Hand erfahren, wie ein entsetzter Jugendlicher das Blutvergießen des Bloody Sunday 1972 miterlebte und welche Folgen es für ihn hatte.


Bilder von Derry

Bilder von Derry: Stadtteil Bogside / Zwei Wandgemälde / Mahnmal in der Bogside (Fotos: Mark A. Wilson, Kryptonit, Wikimedia Commons, Alan Mc)

Samstag, 30. August 2014

These: "Teenager sind die idealen Terroristen"


Jugendliche haben viel Energie, sind bereit, diese in eine große Sache zu investieren und haben kaum Verantwortung für andere zu tragen. Sie haben daher „freie Kapazitäten“  - ein Umstand, der von radikalen Gruppen immer wieder ausgenutzt wird... 

Der Beobachtung, dass Jugendliche leichter zu radikalisieren sind als Erwachsene, widmet das Online-Magazin ‚Cracked‘ im Juli 2014 eine längere Seite.  Robert Evans interviewte Shane O’Doherty und befragte ihn zu den Erkenntnissen, die man aus dem Leben eines Ex-Terroristen gewinnen kann. In diesem Zusammenhang diskutierten die beiden, inwiefern Jugendliche solch ein ideales Terrorpotential bieten können.

Robert Evans fasst die Voraussetzungen wie folgt zusammen: Erwachsene haben schon vergleichsweise viel erreicht. Sie haben einen Beruf, ein Liebesleben und  eine Familie; auf diese Dinge verwenden sie ihre Tatkraft. Außerdem haben sie ungehinderten Zugang zu Alkohol und Restaurantmenüs und können ihre Bedürfnisse leichter decken, als Jugendliche es können. Erwachsene haben auch schon viele andere Menschen kennengelernt; daher sind sie nicht ohne weiteres bereit, zu glauben, dass bestimmte Teile der Menschheit unbedingt den Tod verdienen.  

15- bis 18jährige dagegen leben  meist noch in Ungebundenheit, haben kaum Verbindlichkeiten zu erfüllen, und sind offen für große Ziele. Zugleich sind ihre moralischen Vorstellungen durch Erfahrungsmangel noch von begrenztem Umfang und oft nicht gefestigt genug, um ideologischen Erschütterungen standzuhalten. Wenn radikale Gruppen oder Organisationen sie von einer „großen Sache“ überzeugen können, die zugleich ihrem Ego Nährstoff bietet, dann werden sie leicht zu Freiwilligen, die mit absolutem Feuereifer zur Sache gehen und dabei kaum Lohn verlangen. 

Shane selbsthatte schon früh für die irisch-republikanische Sache Feuer gefangen und versuchsweise mit Waffen hantiert; seine moralischen Vorstellungen waren dabei einseitig und oberflächlich orientiert. Heute sagt er, dass jugendlicher Rachedrang ein wesentlicher Antriebsfaktor war. Man wollte für den Tod der eigenen Freunde Rache üben. Die Frage „Wieviele von denen können wir töten, bevor die uns kaltmachen“ war sozusagen das geistige Frühstück der IRA-Kids. Erwachsene gaben den Kindersoldaten Waffen und Munition, mit der sie kaum umgehen konnten. Shane erinnert sich an seinen Freund Eamonn Lafferty, nur zwei Jahre älter als er selbst, dem man ein Sportgewehr gab. Schon nach wenigen Tagen zog er nachts damit los und war eine Stunde später tot. 

Fast jeder Action-Film enthält  einen auslösenden Faktor (z. B. in ‚Star Wars‘ die Zerstörung des Planeten Alderaan, in ‚Die Tribute von Panem‘ wird Rue getötet, oder als Bruce Willis die Schuhe gestohlen werden). Der auslösende Faktor rechtfertigt dann die Gewalt, die darauf folgt. Das Bloody-Sunday-Massaker in Derry war ein solches Moment für die jungen IRA-Männer.  Das Zusammenbasteln von Bomben war den meisten zu gefährlich, aber Shane war damals jung und verrückt genug, sich um diesen Job zu reißen und wurde so zum „Bomber mit dem Babygesicht“, da er selbst mit 18 noch wie 14 Jahre alt aussah. 

Was schließt man nun daraus? Da Jugendliche imstande sind, bedingungslose Leidenschaft für eine Sache aufzubringen, von der sie überzeugt sind, sollte man sie für eine große Sache gewinnen, die genauso viel Überzeugung und  Einsatzbereitschaft fordert. Ob Jugend-Ehrenamt oder Auslandsjahr, es gibt durchaus viele Möglichkeiten, seinen Tatendrang in einer Weise zu nutzen, die Erfüllung mit sich bringt., z. B. vor Ort in der Kinderbetreuung, der sozialen Arbeit oder im Sport; auch in der Notfallhilfe und im Katastrophenschutz. Falls es internationale Projekte sein sollen, gibt es viele in der Entwicklungshilfe, Flüchtlingsbetreuung, Katastrophenhilfe, und vieles mehr. Das European Volunteer Centre (CEV) bzw. der Europäischer Freiwilligendienst ist eine Anlaufstelle, aber auch ‚Freiwilligenarbeit.de‘ bietet eine ganze Auswahl an Freiwilligen-Hilfsprojekten. Das Selbstverständnis und das Weltbild Jugendlicher können Weltoffenheit und Uneigennützigkeit ganz entscheidend fördern.

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