Über das Buch

Der zweitjüngste Sohn einer kinderreichen katholischen Lehrerfamilie in Derry bekam schon früh die Diskriminierung der Katholiken zu spüren, die in den 60er Jahren zur Bildung einer starken Bürgerrechtsbewegung führte. Auch in den deutschen Nachrichten gab es damals immer wieder Berichte mit Bildern von Bürgerrechtsmarschierern, Polizeiknüppeln und Panzern. Doch nur wenigen deutschen Zuschauern gelang es, sich ein Bild der Zusammenhänge zu verschaffen. Viele glaubten, es handele sich um einen Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken und wunderten sich, wie im aufgeklärten Westen so etwas möglich sein konnte.

Hier liegt nun der authentische Bericht eines ursprünglich unbeteiligten, später aber radikalisierten Zeitzeugen und Mittäters vor, der die Hintergründe aus eigenem Erleben schildert. In den langen Jahren seiner späteren Haft rechnete O'Doherty schließlich schonungslos mit sich selbst ab und wandte sich der aktiven Reue zu. Als das Buch 1989 zuerst erschien, war es sofort ein Bestseller. Dem deutschen Buchmarkt blieb es allerdings lange verborgen. Nun kann man O'Dohertys Autobiographie endlich auch bei uns erhalten und aus erster Hand erfahren, wie ein entsetzter Jugendlicher das Blutvergießen des Bloody Sunday 1972 miterlebte und welche Folgen es für ihn hatte.


Bilder von Derry

Bilder von Derry: Stadtteil Bogside / Zwei Wandgemälde / Mahnmal in der Bogside (Fotos: Mark A. Wilson, Kryptonit, Wikimedia Commons, Alan Mc)

Freitag, 12. April 2013

Bischof Edward Daly


Wie die unter „Die Schule in Derry“ erwähnten 'Boys of St Columbs' ist auch der Priester Edward Daly ein Absolvent des St Columb‘s College in Derry. Am 30. Januar 1972 (Bloody Sunday) war er als Prädikant auf dem Heimweg von einer Beerdigung, während Shane O'Doherty bei der Bürgerrechtsdemonstration mit einem Freund zusammen mitmarschierte. Nach einer Provokation durch eine Gaspatrone, die ein Marschierer geworfen hatte, begannen die britischen Fallschirmjäger plötzlich mit scharfer Munition auf die unbewaffneten Demonstranten zu schießen. Der entsetzte Daly musste ...
 ...den ersten tödlich Verletzten um ihn herum die Sterbesakramente spenden. Es gibt Archivfilmmaterial und natürlich auch Bilder davon, unter anderem von dem italienischen Fotografen Fulvio Grimaldi. Szenen, die Shane O’Doherty in seinem Buch beschreibt, sind in Grimaldis Schwarzweißaufnahmen wiederzuerkennen. (In Suchmaschinen lassen sich diese Fotos finden.)
      Daly selbst beschreibt (in seinem Buch „Mister, Are You a Priest“), wie er neben dem 17jährigen John ("Jackie") Duddy herrannte, während beide vor den Gewehrschüssen der Fallschirmjäger flohen. Der Junge wurde direkt neben Daly getroffent und brach zusammen. Fulvio Grimaldi war mit seiner Kamera in unmittelbarer Nähe. Sein berühmt gewordenes Foto zeigt, wie Helfer den leblosen Jackie beiseite tragen, während Daly ihnen Schutzgeleit gibt, indem er in gebückter Haltung vorangeht und dabei ein weißes Taschentuch schwenkt. Dieses Bild wurde international zum Symbol des schrecklichen Ereignisses.
     Daly kam seiner Aufgabe als Priester nach, indem er Trost spendete; sein Herz war auf der Seite der traumatisierten Bürger von Derry. Er verurteilte die Gewalt und die Ereignisse, die sie auslösten, predigte aber auch stets die Notwendigkeit von Reue und Vergebung.
  1974 wurde Daly zum Bischof geweiht. Ein Jahr später verhaftete die Polizei Shane O'Doherty, der sich bei seiner Mutter in Derry aufhielt. Nach seiner Gerichtsverhandlung in London trat er sein erstes Jahr Gefängnisstrafe in Einzelhaft an. Als Daly von O’Dohertys Sinneswandel erfuhr, überzeugte er sich selbst davon, indem er wiederholt nach England reiste, um ihn in verschiedenen Haftanstalten zu besuchen. Er hielt regelmäßigen Briefkontakt mit O'Doherty aufrecht und setzte sich jahrelang unablässig bei den Behörden dafür ein, Shane in ein irisches Gefängnis zu verlegen, damit seine Mutter ihn häufiger besuchen konnte. Sie musste bis dahin jedesmal mehrere hundert Kilometer nach England reisen, um ihren Sohn zu sehen.
Nach einem Schlaganfall zog sich der 60jährige Daly 1993 vom Bischofsamt zurück. Seither ist er als Kaplan an einem Hospiz in Derry tätig. 2011 machte er Schlagzeilen, weil er sich angesichts des Mangels an Nachwuchspriestern öffentlich für die Abschaffung des Zölibats starkmachte. Er tat dies auch in einem weiteren Buch mit dem englischen Originaltitel „A Troubled See“).
Eine bewundernswert starke Persönlichkeit!


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